- Jüngstes Gericht
- Jüngstes Gericht,Endgericht, auf die jüdische Apokalyptik zurückgehende und vom Christentum und Islam weiter ausgebildete Vorstellung von einem umfassenden endzeitlichen (im Jenseits stattfindenden) Gericht Gottes. Das Eingreifen Gottes in die Geschichte, ursprünglich gedacht als Segen und Rettung, wird im Alten Testament für den »Tag Jahwes« erwartet. Seit Amos 5, 18 ff. wird dieser Tag als Tag des Gerichts (des Zornes Gottes über sein Volk) verstanden, der von Schrecken und Finsternis begleitet ist. Das Gericht erstreckt sich auf den gesamten Kosmos und bringt eine endgültige Bewertung des menschlichen Lebens, die Entscheidung über Heil oder Verwerfung. In den späten Texten des Alten Testaments sowie im Neuen Testament verbindet sich damit der Glaube an die Auferstehung der Toten (Daniel 12, 2 f.; Offenbarung des Johannes 20, 11-15). Nach neutestamentlicher Vorstellung wird Christus als der endzeitliche Weltenrichter im Jüngsten Gericht die Gerechten von den Ungerechten scheiden (Matthäus 25, 31 ff.).In der frühchristlichen Kunst wurde das Jüngste Gericht zunächst symbolisch dargestellt (Scheiden der Böcke von den Schafen, kluge und törichte Jungfrauen). Der figurenreiche Darstellungstypus mit dem thronenden Christus zwischen Maria und Johannes dem Täufer (Deesis), begleitet von Engelschören und den Aposteln, mit dem Erzengel Michael als Seelenwäger zwischen Seligen und Verdammten, den zum Gericht auf Posaunen blasenden Engeln und der Auferstehung der Toten wurde in der byzantinischen Kunst entwickelt (etwa seit dem 8. Jahrhundert) und blieb vom 10. Jahrhundert an weitgehend unverändert. Ein frühes westliches Beispiel ist das große Fresko in der karolingischen Klosterkirche in Münster (Müstair, Kanton Graubünden, um 800). Seit dem 12. Jahrhundert wird das Jüngste Gericht zum wichtigsten Thema der Tympana an den französischen Kathedralen: Autun, Kathedrale Saint-Lazare (um 1130, von Meister Gislebertus), Conques, Sainte-Foy (um 1140), Chartres, Kathedrale, Südquerhaus (um 1215), Paris, Notre-Dame, mittleres Westportal (um 1225-30). In der monumentalen Wandmalerei befindet sich das Jüngste Gericht meist an der Westwand der Sakralbauten (Giotto, Arenakapelle in Padua, zwischen 1304 und 1313). Auf den Altarbildern der italienischen, deutschen und niederländischen Malerei des 15. Jahrhunderts wird die Darstellung der Seligen und Verdammten ausführlicher (Fra Angelico, um 1435, Florenz, Museo di San Marco; S. Lochner, um 1435, Köln, Wallraf-Richartz-Museum; H. Memling, Altar des Jacopo Tani, um 1472, Danzig, Muzeum Pomorskie). Michelangelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle in Rom (1535-41) bringt eine dramatische Steigerung in der Betonung der Verdammten und des Höllensturzes, die für die bedeutenden Darstellungen des Jüngsten Gerichts im Barock (P. P. Rubens, »Großes Jüngstes Gericht« und »Kleines Jüngstes Gericht«, 1616 und um 1620; beide München, Alte Pinakothek) und im 19. Jahrhundert (P. von Cornelius, Fresko in der Ludwigskirche in München, 1836-39) vorbildlich bleibt.D. Milošević: Das J. G. (a. d. Serb., 1963);D. Esser: »Ubique diabolus - der Teufel ist überall«. Aspekte mittelalterl. Moralvorstellungen u. die Kulmination moralisierender Tendenzen in dt. u. niederländ. Weltgerichtsbildern des 15. Jh. (1991).
Universal-Lexikon. 2012.